Ich glaube daran, dass aus jeder Krise, aus jeder herausfordernden Lebenssituation und aus jedem Scheitern stärkende Aspekte entspringen können. Ich selbst bin dafür ein lebendes Beispiel: Mit 28 Jahren erlitt ich mit einer schweren Krebsdiagnose einen unerwarteten und existenziellen Schicksalsschlag. Das ganze passierte nach einer schmerzhaften Trennung und einem anstrengenden Umzug und Jobwechsel.
Ich war, mitten in der Corona Pandemie, damit konfrontiert, dass ich bei nicht-wirksamkeit der Chemotherapie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr lange zu leben haben würde. 

Nach dem ersten Schock erlebte ich eine Situation, die mir immer wieder Gänsehaut beschert, wenn ich daran denke: Es waren zwei Tage nach der Diagnose vergangen und ich lag auf meinem Sofa, vollkommen in Angst und Panik. Ich hatte in diesem Moment jegliches Gefühl für Zeit und Ort verloren, ich glaube Dissoziation trifft es gut. Plötzlich durchfuhr mich eine so starke Energie, die mich geradezu elektrisierte. Als wäre ein Treibstoff in meinen Körper gelangt, der sich jetzt mit dem Blutkreislauf durch mein Herz im gesamten Körper verteilte. Und so lag ich nur da, perplex und auf einmal gar nicht von Furcht, sondern von Ehrfurcht erfüllt. Und während diese warme, lichte Energie durch mich pulsierte, wurde in einem Moment messerscharfer Klarheit bewusst: „ich erlebe das hier, damit ich andere unterstützen kann“. Ein so eindrucksvoller Gedanke, der sich gar nicht wie mein eigener anfühlte, dessen Ursprung sich mir in diesem Moment absolut nicht erschloss.  Auch wie genau diese Unterstützung aussehen sollte, wusste ich noch nicht.
Heute kommt mir dieser Moment selbst so unreal vor und hätte ich es nicht erlebt, hätte ich Schwierigkeiten, es zu glauben. Ich berichte hier davon, weil es der Ausgangspunkt für dieses Projekt, für Kummercoaching.de ist. Denn Ich stellte mir im Anschluss an diesen Moment die Frage „Wie machen das starke Menschen?“ 

Ich wusste es nicht. Ich hatte mich nie in meinem Leben stark gefühlt. Vielleicht reflektiert, gesellig und intelligent, gleichzeitig verloren, abhängig und unsicher. Aber stark? Mutig? Selbstwirksam? Nein, nicht in meiner Wahrnehmung.

Was ich jedoch wusste: Ich bin in der Lage, zu heilen. Körperlich mit Hilfe der Behandlungen, denen ich mein Vertrauen schenkte, als auch (und da wesentlich selbstwirksamer) psychisch und seelisch. Ganzheitlich. Auf allen Ebenen gab ich mich dieser neuen Mission hin: Heilen und in Ordnung bringen, was in meinem System durcheinander geraten und eine dysfunktionale Funktion angenommen hatte. 

Ich suchte mir alle Unterstützung, die ich finden konnte: Foren im Internet (nicht zu Krebs, sondern zu ganzheitlicher Gesundheit) Beratungsstellen, Freunde und Familie, Komplementärmediziner*innen, Philosophie und nicht-religiöse (und schwurbel-freie) Spiritualität des All-Eins-Seins.

Ich lernte zum ersten mal, was sich für mich und meinen Körper eigentlich gut anfühlte und lernte zu unterlassen oder einzuschränken, was sich nicht stimmig anfühlte. Meine wirklichen, doch lange verloren geglaubten Leidenschaften und Interessen bekamen wieder Raum und ermöglichten eine nie geahnte Nähe zu mir selbst. Ich lernte widerum auch, Grenzen zu setzen und transparent zu kommunizieren, was Beziehungen zu meinen Mitmenschen in unterschiedliche Richtungen veränderte. Ich brachte mir bei, achtsam zu kochen, zu essen, zu meditieren. Ich lernte, Menschen wirklich zu sehen, weil ich mich wirklich sehen lernte. Ich lernte, mit mir allein zu sein. Ich lernte, zu lieben. Meine Angst, meine Wut, meine Trauer waren dabei immer an meiner Seite. Und ich ließ sie dort, zum ersten Mal in meinem Leben. Auf meine Einladung, zu verweilen, reagierten sie mit Rückzug. Ich freundete mich mit dem Tod an, als ich in seinem Angesicht zum ersten mal traute, wirklich lebendig zu sein. 

Re-Mission. 

Ich heilte. Im Mai 2021, nach über 6 Monaten Chemotherapie, OP und Bestrahlung war klar, was ich intuitiv bereits lange vorher wusste: Krebs hat mich gesund gemacht. 

In den nächsten Jahren kämpfte ich mich zurück ins Leben. Und ja, die Heilung vom Krebs war für mich nie ein „Kampf, den ich gewann“. Der Weg zurück ins Leben und aus der Angst heraus in neuen Mut fühlte sich mehr an wie ein Kampf. Nach-vorne-gucken ging erst wieder einige Jahre später, nach Reha, Psychoonkologischer Therapie und vielen Aufatmen-lassenden Nachsorgeuntersuchungen der ersten zwei Jahren nach der Erkrankung. Da möchte ich niemandem etwas vormachen. Dieser Weg ist kein Spaziergang. Es war der beängstigendste, herausforderndste und gleichzeitig der schönste, wichtigste und bereicherndste Weg, den ich bisher gegangen bin. 

Lange dachte ich: „meine Güte, Ronja. Dir ging es ja noch „gut“, weil du glimpflich davongekommen bist! So viele sterben an so einer Krankheit. Du kannst dir doch nicht anmaßen, auf Grundlage deiner Erfahrung anderen Mut machen zu wollen. Anderen geht es schlechter, deswegen steht es dir nicht zu!“ 

Und das passte auch ganz hervorragend zu meinen alten Annahmen á la: „du hast nichts anzubieten, weil du keine Expertin bist. Wer sollte sich von dir beraten oder coachen lassen? Wer sollte einen Podcast von dir hören oder ein Buch von dir lesen wollen?“ 
Seit meinem Weg mit der Krebserkrankung habe ich mir das Versprechen gegeben, mich nicht mehr durch solche Gedanken zu limitieren, die in mir die Illusion aufrecht erhalten, nicht gut/schlau/ausgebildet/begabt… genug zu sein. Ich lasse das nicht mehr gelten. Gleichzeitig strebe ich nach wie vor danach, mich weiterzuentwickeln, mich weiter fortzubilden, zu wachsen. Das schließt sich ja nicht aus. Es ist ein Prozess, in dem ich mich noch immer befinde und dennoch (oder gerade deswegen) Andere dabei unterstützen möchte, ebenfalls diese Begrenzungen loszulassen. 

Jetzt frage ich: „was kann ich tun, um mein Ziel zu erreichen und was hat mich bisher davon abgehalten?“ und: „Was hat mich bei ähnlichen Vorhaben unterstützt?“
Und allein diese Frage zu stellen, öffnete Türen und gab einen Weg frei, den ich mich endlich zu gehen traue.

Anita Morjaani sagte mal in einem ihrer Videos, sie selbst als Krebs-Überlebende wolle das Wort Re-Mission neu für sich deuten und sagt dazu: 

Nach erfolgreich abgeschlossener Weiterbildung zur Systemisch-Integrativen Beraterin stehe ich nun vor einem Neuanfang. Einer neuen Aufgabe. Einer neuen Mission. Ich habe das alles erlebt, um Dich zu unterstützen.

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