Über die Dunkelheit des Vergessens

Wenn mich Menschen nach meinem Nachnamen fragen, sage ich oft „Kummer, wie Sorge!“ Das habe ich von meinem Papa übernommen und finde es sehr charmant. Und zugegeben passt das „Motto“ unseres Familiennamens gut in mein Leben. Besonders in meiner Jugend und meinen 20ern grübelte ich viel über Leiden nach. Schon seit ich denken kann, litt ich unter den unterschiedlichsten Dingen und stellte mir die Frage „Warum (ich)?“ Also sezierte ich Situationen, Beziehungen, Gefühle und Gedanken, stellte spektakuläre Innenschauen an, manchmal, bis ich richtig müde wurde. Heute passiert mir das noch immer ab und an und da gilt es dann, mir selbst liebevoll zu begegnen. Nein, ich habe das ganze also auch absolut nicht durchgespielt.
Es ist dennoch schön, dass meine Bemühungen dieser anekdotischen Studien, die durchaus als „Selbstzermaterung“ abgetan werden könnten, nun zu etwas gut sind: Mit Fragen rund um Leid ist in mir mittlerweile der Gedanke verknüpft, dass ich all das schmerzhafte nur erleb(t)e, damit ich es verstehen und das Wissen darum weitergeben kann. Und tatsächlich: mittlerweile verstehe ich etwas mehr von der Natur des Leids und somit auch von der menschlichen Erfahrung hier in diesem Leben.
Eines vorweg: Beides geht Hand in Hand.

Die Beschäftigung mit Schmerz und Leid erfordert Mut und Hingabe, aber sie lohnt sich. Schmerz zwingt uns früher oder später, hinzuschauen. Wir können von Schmerz lernen, uns neu auszurichten, unsere Wahrnehmung zu korrigieren und aktiv Veränderungen vorzunehmen: innerlich wie äußerlich. Oft wird Selbstwirksamkeit erst dann in uns freigesetzt, wenn es unbequem wird, zum Beispiel, wenn wir erst nach einer längeren Zeit des Rückenschmerzes damit beginnen, einen gesünderen Lebensstil in Betracht zu ziehen. Wir erkennen oft erst durch Schmerz, was uns wichtig ist, was wir brauchen oder was wir nicht mehr wollen. Trennungen, Scheitern aller Art und auch Krankheit können uns all das aufzeigen, wenn wir dafür offen für neue Perspektiven sind, die über die einseitige Dimension von „Schmerz ist schlecht“ hinausgehen. Eine dieser Perspektiven ist: Schmerz birgt immer auch ein Heilungspotential. Sind wir ihm ausgesetzt, treibt uns meist ein Wunsch nach Wiederherstellung von Balance an und so bemühen wir uns, ihn loszuwerden oder gar zu transformieren, indem wir aus ihm lernen. Je größer der Leidensdruck, umso größer meist der Wunsch nach Erlösung und innerem Frieden. Wir sehnen uns nach dem Sommer dann am meisten, wenn wir inmitten des Winters frieren.

Doch wo endet Schmerz und wo beginnt Leid? Und wie können wir Leid loslassen?

Vorweg nur schon einmal soviel: Schmerz gehört zum Leben, ist Teil der menschlichen Erfahrung und kann uns oft als Signal oder gar Korrektiv dienen. Leid ist wiederum oft blockierend und vermeidbar.

Doch eins nach dem Anderen.

Dieser Blogpost ist der erste Teil der dreiteiligen Reihe, welche sich mit dem umfangreichen Thema Loslassen von Leid befasst.

Wir alle haben sicherlich schon viel über „Loslassen“ gehört, gelesen, besprochen. Ich nehme es jedenfalls so wahr, als sei es in aller Munde.

Zu Beginn war mein ursprünglicher Plan, alles in einen einzigen Blogbeitrag zu verpacken. Jedoch stellte ich im Schreibprozess fest, dass das Thema zu groß und komplex ist, um es in einen Beitrag typischer Länge zu bündeln. Ich sehe hier drei große Teilaspekte, bei denen mir wichtig ist, jedem einzelnen in der ihm angemessenen Ausführlichkeit zu begegnen.

Teil 1: Vergessen
Teil 2: Erinnern
Teil 3: Praxis verankern

Wie leiden wir?

„Zeit geht vorbei, wie ein unbeteiligter Reicher an einem Bettler
Einem Bettler auf der staubigen Straße bis runter zum Meer
Kein Gedanke gibt genug Halt, als dass ich ihn fassen könnte
Meine Reserven sind leer.
Wie die Zeit rast, weil ich nicht einschlaf‘, und mich dreh‘
Und der Schlaf fehlt, wie mir der Tag fehlt, weil ich von Sonne träum‘ unten am Meer“
(Tua – Der Bettler und das Meer)

Es gibt manchmal halbe, ganze, oder auch wie achtlos gefaltete Wäsche unübersichtlich übereinandergestapelte Tage, an denen wir im Dunkeln tappen. Tage, vielleicht auch Wochen, an denen der Geist wie vernebelt erscheint und kein Gedanke (wie Tua es so schön formuliert) genug Halt bietet, als dass man ihn fassen könnte. Alle Reserven sind erschöpft und das zaghafte Suchen nach Freude in sich selbst erinnert an einen vergeblichen Versuch, im Februar das Gefühl von August-Sonne auf der Haut zu rekonstruieren. Wie zum Scheitern verurteilt.

Aber irgendwie hält man durch.
Wie im Winter durch den Schneeregen zur Arbeit fahrend.
Wie im Wartezimmer das Ergebnis einer medizinischen Untersuchung ausharrend.
Wie in einer belastenden Dienstbesprechung die Fassade des professionellen Mitarbeitenden aufrechterhaltend.
Wie eine schmerzhafte Projektion auf sich selbst oder andere bezeugend.

Irgendwie hält man ihn durch, diesen sich oft unendlich lang anfühlenden inneren Februar.

Vielleicht aus tatsächlicher Hoffnung und dem geduldigen Wissen, dass der Frühling sicher wiederkommt.

Vielleicht auch aus empfundenem Mangel an Alternativen.

Was glaubst du:
Können wir gar wählen, wie wir uns durch den inneren Februar navigieren? Also, wie wir der inneren Kälte, den inneren Regengüssen oder Schneestürmen begegnen? Glaubst du, das macht einen Unterschied?

Können wir entscheiden, zu tragen, statt zu ertragen? Zu halten, statt auszuhalten?
Wenn es möglich wäre, welche Perspektive würdest du einnehmen?


Vom Hin- und Wegschauen

Wenn uns das Herz so schwer ist, kann es schnell passieren, dass wir die ganze Welt wie durch eine dunkle und gleichzeitig sehr kontrastreiche Brille sehen. Dunkelheit und Kontrast schließen einander nicht aus – sie können sich ergänzen, wenn wenige helle Elemente in einer dunklen Umgebung herausstechen.

Wir befinden uns also im inneren Februar, einer herausfordernden Lebenssituation oder inmitten schmerzhafter Emotionen. Doch damit nicht genug: Aus Gewohnheit setzen wir nun auch noch diese dunkle Brille auf, die unsere innere (und damit auch äußere) Welt in ihrer schaurigsten Form abbildet: Unbewusst lassen wir unsere Mitmenschen die Rolle derer spielen, die uns vorenthalten oder entziehen, woran es uns ohnehin schon mangelt. Vielleicht Zuneigung, Verständnis, Aufmerksamkeit, oder Respekt vor unseren Grenzen und Kapazitäten.
Wenn wir durch diese Brille auf unsere Lebenssituation schauen, schmerzt scheinbar alles daran: Wer sich wieder nicht gemeldet hat, was uns wieder überfordert, was früher war, was jetzt nicht ist. Dass wir uns mal wieder so fühlen. Gedankenspiralen, die Unbehagen füttern und umgekehrt.

Monochrome Bilder und Schauspiel prägen unsere Wahrnehmung.
Egal, welche Aktivitäten wir ausüben, es fühlt sich nicht richtig an.
Egal, was für liebe Worte gesagt werden, sie dringen nicht durch.
Nichts von dem, was in uns im Entferntesten mit Fülle, Freude und Ausgeglichenheit zu tun hat, scheint abrufbar. Stattdessen wirken all die unangenehmen Gefühle so nah, so bereit, hervorzutreten und uns zu überwältigen.

Es ist verständlich, dass das ohnehin dunkle Februar-Wetter mit dem dunklen und kontrastreichen Filter dieser Brille noch viel schauriger erscheint. Doch wir lassen sie auf, als gäbe es keine Alternative.
Doch was würde passieren, wenn wir diese dunkle Brille weglegen und eine andere, vielleicht buntere, aufsetzen würden? Oder ganz und gar ohne Filter auf das schauen, was ist?

Es ist beängstigend. Denn eine Eigenschaft dieser Brille ist, dass sie uns Schutz suggeriert: wir würden Schaden nehmen, wenn wir sie absetzten. Das ist perfide, denn so probieren wir es oft nicht einmal und bleiben in einem ständigen Widerstand.
Aus Angst vor einer Welle unliebsamer Emotionen schauen wir also am liebsten nicht hin. Die Brille lässt uns annehmen, das ungefilterte Fühlen sei das Problem- Wir sehen buchstäblich nicht, dass es genau umgekehrt ist.
Eine weitere Schwierigkeit, die hinzukommt: das Weg- und woandershin schauen geht heutzutage so leicht: durch intellektualisieren und analysieren, durch Verdrängung mit Substanzen, Sex, Kaufen, Arbeit, sich mit den Problemen anderer beschäftigen, …

Wenn wir, noch immer die dunkle Brille tragend, wegschauen, vielleicht lieber auf einen Bildschirm, wird alles taub. Weder angenehmes noch unangenehmes findet dann seinen Weg aus den unteren Schichten ins Bewusstsein. Eine zweifelhafte Sicherheit, die uns nur noch mehr trennt von unserem Innersten und der Welt. Doch wir nehmen diese Taubheit und Isolation in Kauf- zu bedrohlich ist die Befürchtung, dass bei einem Hinschauen (ohne Brille) die Emotionen in einer unerträglichen Art und Weise schmerzen könnten. Unaufhörbar und vernichtend. Zu groß ist die Angst davor, dass wir durch ungefiltertes Fühlen gänzlich vergessen könnten, dass alles nur temporär ist und dass das Gute irgendwann (wieder)kommt, wie die August-Sonne und all die Aspekte, die uns noch zu fehlen scheinen. 

All das fühlt sich jedoch nur so an, weil wir diese dunkle Brille tragen und uns weigern, sie abzunehmen.

Warum wir leiden: Ein Blick in die Tiefe

Leiden – das Gefühl, dass uns der innere Februar umhüllt – ist nicht einfach nur das, was passiert. Es ist das, was wir daraus machen. Aus der Sicht der buddhistischen Psychologie entsteht Leid nicht durch die Ereignisse selbst, sondern durch unsere Urteile über sie. Einem solchen inneren Widerstand durch ein Urteil liegt immer die Anhaftung an unsere Vorstellungen davon zugrunde, wie Dinge (und auch wir) sein sollten. Damit kämpfen wir, oft unbewusst, gegen die Realität. Wir sagen uns: „Es sollte anders sein.“

Genau das ist die Funktion der dunklen Brille, durch die wir auf die Situationen schauen: Widerstand durch Urteile.

Ein innerer Februar ist nicht nur schmerzhaft kalt – wir leiden, weil wir ihn nicht akzeptieren können. Weil wir in Gedanken ständig nach einem August suchen, der gerade nicht greifbar ist.

Buddha nannte es „Dukkha“ – ein Begriff, der sich schwer übersetzen lässt, aber oft als „Leiden“, „Unzufriedenheit“ oder das „Gefühl des Ungenügens“ beschrieben wird. Es geht nicht nur um den großen, dramatischen Schmerz, sondern um dieses subtile Gefühl, dass irgendetwas fehlt. Dass das Leben nicht ganz richtig ist, so wie es ist. Warum? Weil wir immer wieder versuchen, uns an das Angenehme zu klammern und das Unangenehme zu vermeiden. Und das ist ja auch verständlich: Jeder Mensch strebt nach dem Gefühl, glücklich zu sein. Nur leider verwechseln wir oft die Befriedigung eines Bedürfnisses mit dem Gefühl von Glück oder Freude. Die Lehrer*innen dieser uralten Traditionen wollen uns aufzeigen: Die Abwesenheit jeglicher Anhaftung oder Abneigung, die Stille des Hintergrunds, auf dem sich diese Kämpfe und Dramen abspielen, ist die pure Freude selbst. Hier scheint unsere Buddhanatur, die in jedem Menschen angelegt und immer präsent ist. Schmerz und Leid sind vergänglich – sie sind wie Wellen, die über den Ozean rollen. Die Buddhanatur ist dieser Ozean: unendlich, tief und unveränderlich. Indem wir uns mit unserer Buddhanatur verbinden, können wir den Wellen des Lebens mit Gelassenheit begegnen.

Wenn wir uns jedoch mit unseren Gedanken, Gefühlen und Urteilen identifizieren, verlieren wir den Kontakt zu unserer Buddhanatur. Leid entsteht, weil wir vergessen, dass wir bereits die Klarheit und Weisheit in uns tragen, um diese Erfahrungen zu durchleben, ohne an ihnen zu haften.

Die Illusion der Person, für die wir uns halten

Im Advaita Vedanta, der nicht-dualen Lehre aus dem Hinduismus, gibt es eine ähnliche Idee: Leid entspringt der falschen Vorstellung, dass wir getrennt sind – von anderen, vom Leben, von uns selbst, von Gott (Brahmen). In der Essenz ist unser wahres Selbst (Atman) jedoch gänzlich identisch (daher nicht-dual) mit dem Universum, mit Gott und somit unberührt von Leid. Aber wir identifizieren uns mit dem, was leidet: unseren Gedanken, Gefühlen, Geschichten. Wir glauben, das verletzte „ich“ sei unser wahrer Kern. Doch dieses „ich“, häufig im spirituellen Kontext auch „Ego“ genannt ist nichts als ein Gedankenkonstrukt.

Wie oft spüren wir Leid durch Gedankens wie:

Schien die August-Sonne eigentlich jemals?
Warum kann ich mich nicht daran erinnern?
Habe ich mir die guten Tage nur eingebildet?
Bin ich in Wahrheit gar nicht geliebt, selbstsicher, erwachsen?
Und schon wieder fühle ich mich so. Ich dachte, ich wäre darüber hinweg.
Ich dachte, ich wäre weiter.
Ich werde es nie überwinden.

Was, wenn das niemals aufhört?
Was, wenn ich nie bekomme, was mir jetzt fehlt?
Es soll nicht so sein, wie es jetzt ist.

Ich sollte anders fühlen; anders sein.

Und doch – ist dieses „ich“, das leidet, wirklich du? Oder ist es einfach nur ein Bild, das du für einen Moment für dich selbst hältst?

Im Advaita heißt es: „Du bist der Raum, in dem all das passiert.“ Gedanken und Gefühle sind wie Wolken am Himmel – vorüberziehend, ohne den Himmel selbst zu verändern. Das wahre Selbst, mit dem wir identisch sind, das Bewusstsein, das „ich bin“, Bahmen,– ist wie der Himmel unberührt von den Stürmen, die kommen und gehen.

Du warst immer dieses „ich bin“. Unabhängig deines Alters, deiner Entwicklung, deiner Stimmungen, deiner Lebenssituation. Es gab keinen Moment, in dem du nicht „ich bin“ warst. Alles andere hat sich andauernd verändert.

Interessanterweise beschreiben also sowohl der Buddhismus als auch das Advaita Vedanta diesen Irrtum, jedoch mit einem unterschiedlichen Fokus. Aus buddhistischer Sicht wird das Leiden durch Anhaftung an ein ‚Ich‘ und die falsche Identifikation mit wechselnden Gedanken und Gefühlen verursacht, was die Buddhanatur verschleiert (die Metapher des blauen Himmels und der Wolken, die vorbeiziehen). Das Advaita Vedanta geht einen Schritt weiter: Es sieht das Leiden nicht nur in der Anhaftung, sondern vor allem in der grundlegenden wahrgenommenen Illusion eines isolierten, von allem anderen getrennten Selbst (Metapher der Welle im Ozean, die genauso Wasser ist wie der Ozean selbst und lediglich eine Form ist, die der Ozean annimmt. Sie hat kein Eigenleben, keine eigene Substanz).
Man könnte sagen, dass der Buddhismus die Brille der Anhaftung abnehmen möchte, während das Advaita Vedanta direkt die Existenz der Brille in Frage stellt.

Zusammenfassung

Das heißt, es sind nicht nur die Urteile, die wir über unsere Lebenssituation haben, die uns leiden und im Widerstand verharren lassen. Die Fehl-Identifikation mit einer (von allem anderen getrennten) Person, für die wir uns halten, ist quasi schon das Ur-Urteil. Die Auflösung allein dieses Irrtums stellt bereits den Weg in den inneren Frieden dar.

Viele spirituelle Lehren fußen in ihrer Essenz auf diesem Grundgedanken der Nicht-Dualität. Die Bewusstwerdung der All-Eins-Seins kann profunde Erkenntnisse und Zustände tiefer Verbundenheit und innerer Glückseligkeit freisetzen, wenn wir erkennen: Ich bin reines Gewahrsein. Kein Februar, keine Brille der Welt, egal wie dunkel oder bunt, kann etwas an der Essenz dieses Bewusstseins ändern.

Diese spirituelle Betrachtung von Leid bzw. unserer wahren Essenz geht sehr tief und kann durchaus auch Irritation hervorrufen. Nur, wenn wir wirklich offen dafür sind, über die Dimension der persönlichen Erfahrung hinwegzublicken, kann sie uns wirklich erreichen. Ich könnte hier noch etliche Seiten weiter darüber schreiben, nur versagen Worte hier oft. Gerne möchte ich euch empfehlen, Meditationen von Rupert Spira, Adyashanti, Eckart Tolle oder Sam Harris auszuprobieren. Oder vielleicht auch eine von mir selbst produzierte Meditation zum „Ich bin“, die du in meiner Podcastepisode #3 hören kannst.
Die Erfahrung des inneren Gewahrseins kann durch Sprache nicht vermittelt werden, weil Sprache an sich schon dual ist und somit trennt.  

 Ich möchte die tiefgreifenden Erkenntnisse aus dieser – zugegeben fast schon unverschämt komprimierten – Auseinandersetzung gern mit der Frage schließen:

Was heißt das alles für den inneren Februar?

Vielleicht, dass er gar nicht „besiegt“ werden muss. Dass er einfach da sein darf. Wenn wir ihn betrachten können, ohne ihn zu bewerten, verändert er sich. Es macht uns auf diese Art und Weise nichts aus, ihm sein eigenes Tempo und seine Witterung zuzugestehen. Wir wissen, unsere Essenz- das reine Gewahrsein, ist unberührt von Kälte und Sturm. Wir können uns nach innen richten und mit dem sein, was sich in uns und um uns herum bewegt. Nichts stagniert, alles ist immer im Fluss.

Vielleicht liegt die Freiheit nicht darin, dass es nie wieder dunkel wird. Sondern darin, dass wir auch in der Dunkelheit wissen: Das Licht ist nie wirklich weg.

Nun wissen wir also schon sehr viel darüber, was uns leiden lässt und was die dunkle Brille der Urteile genau ist und wie tiefgreifend ihre Wirkung ist.

Das war jetzt alles ziemlich konzeptionell. Ich hoffe, der spirit ist rübergekommen und dass du vielleicht etwas neugierig geworden bist auf die traditionellen Lehren der Nicht-Dualität, von denen ich (wie man vielleicht merkt) sehr begeistert bin.
In Teil 2 geht es einen graduelleren Weg hin zu einem inneren Frieden, denn auch, wenn es möglich ist: nur sehr wenige Menschen werden sich einmal ihrer wahren Essenz im Sinne des Buddhismus oder des Advaita Vedanta bewusst und leiden ab dann nie wieder. Unsere eingefahrenen Denkstrukturen und Urteile über uns selbst sind meist so verfestigt, dass eine absolute Auflösung des „Ich als Person“ womöglich nicht nachhaltig greift und vor allem die Gefahr des „spiritual bypassing“, (also eine Fluchtbewegung aus dem Leben) mit sich bringen kann, wenn derartige Lehren auf der intellektuellen Ebene hängenbleiben und nicht in eine verkörperte und zwischenmenschliche Ebene integriert werden. Schließlich sind wir Menschen physisch inkarniert und leben in sozialen Gefügen miteinander.

Teil 2 beschäftigt sich mit dem Vorhaben, Leid loszulassen wenn wir zur Zeit oder  generell (noch) keinen Zugang zur Thematik des „Erwachens“ bzw. zur Transzendierung des „Ich“ haben. Dann bietet es sich an, herauszufinden, warum wir bestimmte Brillen tragen und was uns davon abhält, sie abzusetzen. Wir können auch lernen, eine andere Brille aufzusetzen, wenn wir das möchten. Auch das geht, ohne sich vollkommen vom „ich“ zu lösen. Wie das funktioniert und auf welche Herausforderungen wir auf dem Weg treffen können, erkläre ich in Teil 2.

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